Retrospektive

Wir haben träge gelebt,
weil Frieden war.

Was verloren war, wurde früher oder später wiedergefunden,
und das Leben war ein so sicherer Ort,
dass wir aus dem Haus gingen und uns absichtlich verliefen.

Bei fröhlichen Anlässen erinnerten wir uns an Gott.
Bei traurigen Anlässen erinnerten wir ihn an uns …
und Gott erinnerte sich.

Unser Leben,
eine gewonnene Stunde nach der Zeitumstellung,
war ein Aufschub des Kriegs,
der Luxus, faul im Bett zu liegen,
auf dem Feuer der brodelnde Kaffee,
jedes Jahr das gleiche Spielzeug am Weihnachtsbaum,
auf den Fotos unsere alternden Väter,
unsere aufgeschobenen Liebschaften,
halb gelesene Bücher,
das Gezänk über Kleinigkeiten,
der schöne Alltag ruiniert,
– es erschien uns wie das Ende der Welt.

Weil Frieden war,
starben wir langsam und der Reihe nach:
erst die Alten, dann die Jungen,
schrittweise verlangsamte sich der Puls
in gut ausgestatteten Krankenzimmern, eingerichtet
für ein würdevolles Leben.

_Aus dem Armenischen von Anahit Avagyan und Wiebke Zollmann

 

 

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